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Schuldenbremse im Bundesrat gestoppt




Kurz vor der Nationalratswahl beschlossen ÖVP, FPÖ und Neos eine „Schuldenbremse“ in die Verfassung zu schreiben. Ihr Vorbild ist Deutschland. Dort wurde 2009 ein fast textgleiches Gesetz beschlossen. 10 Jahre später leidet Deutschland unter desolaten Straßen, Zugausfällen und viel zu langsamem Internet – die wirtschaftliche Rezension droht, weil Investitionen fehlen. SPÖ- und Grüne-Bundesräte verhindern daher den Beschluss für Österreich. Denn er würde Geld für Infrastruktur, Soziales und vor allem Klimaschutz abschneiden.

Schon 2017 starteten ÖVP, FPÖ und NEOS den Versuch, die „Schuldenbremse“ in die österreichische Verfassung zu schreiben. Damit wollen sie eine strikte Spar- und Kürzungspolitik in den Verfassungsrang heben. 2017 sind die drei Parteien noch an der fehlenden 2/3 Mehrheit gescheitert, 2019 scheitern sie am Bundesrat.

ÖVP und FPÖ gegen neue Schulden – und notwendige Investitionen

Tatsächlich gibt es bereits einen Mechanismus im Haushaltsgesetz, der zu hohe ungedeckte Ausgaben unterbindet. So darf der Staat nicht mehr als 0,45 Prozent der Wirtschaftsleistung an neuen Verpflichtungen aufnehmen. Doch das Gesetz kann mit einfacher Mehrheit bei ernsthaftem Bedarf geändert werden.

Und das ist wichtig: Denn wenn ein Staat in Krisenzeiten stark spart, schickt er sich selbst in einen Abwärtsspirale. Die neoliberale „Schuldenbremse“ in der Verfassung verhindert, dass die Regierung Geld ausgibt, um Klimakrise oder Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Die Klimakrise zeigt besonders deutlich, wohin falsches Sparen führt: Denn bekommen wir das Klima nicht schnell unter Kontrolle, sind die selbstverstärkenden Effekte so groß, dass wir nichts mehr tun können – und die Umstellung noch viel teurer wird.

Wird die Schuldenbremse beschlossen, kann der Verfassungsgerichtshof das Budget einer Regierung für verfassungswidrig erklären. Jede Regierung wäre dann dem Spardiktat unterworfen, der Entscheidungspielraum viel kleiner – solange sie über über keine 2/3-Mehrheit verfügt.

Sozialkürzungen wären notwendig

Die wirtschaftsliberalen Agenda Austria stellt sich auf Seiten der ÖVP, FPÖ und NEOS: Der Staat könne immer Spielräume nutzen. Er müsse dafür Investitionen vor Sozialausgaben priorisieren.


In Österreich würde das bedeuten, bei den Pensions- und Sozialausgaben zu kürzen, um in den Klimaschutz investieren zu können.


Auch einen anderen Weg gibt es noch: Das Nulldefizit durch die Privatisierung staatlichen Eigentums zu erreichen. Nachhaltig ist das nicht – doch passt in die wirtschaftsliberale Politik von ÖVP, FPÖ und Neos. So weit geht nicht einmal die deutsche Schuldenbremse.

Kritik an deutscher „Schuldenbremse“

Als erstes europäisches Land führte Deutschland 2009 eine Schuldenbremse ein. Seitdem ist die „schwarze Null“ – ein ausgeglichenes Budget – zum wichtigsten Mantra der deutschen Politik geworden. Beschlossen wurde sie damals als Reaktion auf die Wirtschaftskrise 2008. Doch die Folgen der strikten Sparpolitik sind: Durch die fehlenden Investitionen sind die deutschen Straßen verfallen; Zugausfälle stehen an der Tagesordnung; das Internet ist langsamer als in Ländern wie Rumänien, Ungarn oder Bulgarien. Jetzt droht die deutsche Wirtschaft in die Krise zu rutschen, und sie wird den Rest Europas mitziehen.

Deutscher Experte: „Wir haben uns eingemauert“

Heute kritisieren viele deutsche Ökonomen die Schuldenbremse. Angesicht der Herausforderungen der Zukunft und den historisch niedrigen Zinsen haben viele ihre Haltung von Zuspruch zu Kritik geändert. Einer von ihnen ist Michael Hüther, der Direktor des arbeitgebernahen „Instituts der Deutschen Wirtschaft“. Früher war er Verfechter der Schuldenbremse, heute sagt er:

„Die Verteufelung der Schulden ist nicht mehr zeitgemäß.“

Nicht nur vom ihm hagelt es Kritik an der deutsche Schuldenbremse, sondern auch vom Ex-Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds (IWF) Oliver Blanchard:


„Was immer es für eine Notwendigkeit gegeben haben mag, die Staatsschulden zu reduzieren, so ist sie vorbei.“

Anhänger der Bremse fordern, den nächsten Generationen keine Schulden zu hinterlassen – was sie aber ignorieren: Wir stehen vor massiven Herausforderungen, die nur durch gemeinsame Anstrengung bewältigt werden können. Eine „Schuldenbremse“ bindet uns aber langfristig die Hände und wird zur Zukunftsbremse.

Der Klimaschutz braucht ein massives Investitionspaket

Heute jagt eine Schreckensmeldung über die Klimakrise die andere. Die schlimmsten Befürchtungen von Experten werden übertroffen. Eines ist sicher: Ohne immense Investitionen in eine nachhaltige Wirtschaft werden wir die Klimakrise nicht bewältigen. Wir brauchen Investitionen in den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, die Sanierung von alten Gebäuden, die Ausweitung von nachhaltiger Energiegewinnung und Forschung zu zukunftsfähigen Technologien. Mit der Schuldenbremse wird all das nicht möglich sein.

Genauso wenig werden wir in der Lage sein, nachhaltige Industriezweige in ihrer Entwicklung zu unterstützen. Das bedeutet nicht nur ein Wettbewerbsnachteil für Österreich, sondern wird auch den Umfang einschränken, in dem Arbeitskräfte aus klimaschädlichen Industrien in diese neuen, grünen Zweige wechseln können. Das heißt mehr Arbeitslose und mehr Widerstand gegen die Etablierung einer CO2-neutralen Wirtschaft.


Die Schuldenbremse wird zur Zukunftsbremse und gefährdet den Kampf gegen die Klimakrise. Kritik häuft sich.


Der andere Weg: Portugal

Den entgegengesetzten Weg beschreitet Portugal – und ist damit außerordentlich erfolgreich. Die sozialdemokratische Regierung hat sich von der strikten Sparpolitik ihrer konservativen Vorgänger-Regierung befreit. Das Land erlebt nun einen wirtschaftlichen Höhenflug. Sogar das Budget-Defizit ist so klein wie seit dem Beginn der Demokratie in Portugal noch nie. Und das, obwohl – oder eben weil – man sich von der Sparpolitik verabschiedet hat. Eine Befreiung von der Spardoktrin kann also wahre wirtschaftliche Wunder bewirken. Durch eine solche Politik wäre Österreich viel besser auf die Aufgaben der Zukunft vorbereitet – sei es der Klimawandel oder Investitionen in Forschung und Bildung.


Falsche Gleichsetzung von öffentlichen und privaten Haushalten

Lange Jahre galten Staatsschulden als Folge von Wirtschaftskrisen, nicht als ihr Auslöser. Die neoliberalen Netzwerke waren aber bemüht, das umzudrehen und sie setzten sich in den Jahren nach 2008/2009 durch. Und das schafften sie unter anderem mit der falschen Gleichsetzung von privaten und öffentlichen Haushalten. Ein radikaler Sparkurs war die Folge, der die Volkswirtschaften nur immer tiefer in die Krise schlittern ließ.

Der Idee der „Schuldenbremse“ wohnt der Glaube inne, private und öffentliche Haushalte funktionieren gleich. Also der finanzielle Rahmen für mehrere Millionen Menschen sei genau so zu organisieren wie ein Haushalt von drei, vier Personen. Dass das ein Trugschluss ist, liegt auf der Hand: Die öffentliche Hand investiert in die Infrastruktur, baut und betreibt Krankenhäuser, Schulen und Universitäten und finanziert die Feuerwehr, Rettung und Polizei. All das trägt wiederum durch bessere Bildung, hochwertige Infrastruktur und mehr Sicherheit zu höheren Einnahmen bei. Eine Kürzung der Ausgaben hat daher oft auch einen Rückgang der Einnahmen zur Folge. Für einen privaten Haushalt gilt diese Dynamik von Einnahmen und Ausgaben nicht.

Der Klimaschutz braucht ein massives Investitionspaket

Heute jagt eine Schreckensmeldung über die Klimakrise die andere. Die schlimmsten Befürchtungen von Experten werden übertroffen. Eines ist sicher: Ohne immense Investitionen in eine nachhaltige Wirtschaft werden wir die Klimakrise nicht bewältigen. Wir brauchen Investitionen in den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, die Sanierung von alten Gebäuden, die Ausweitung von nachhaltiger Energiegewinnung und Forschung zu zukunftsfähigen Technologien. Mit der Schuldenbremse wird all das nicht möglich sein.


Wer bei negativen Zinssätzen nicht sofort zusätzliche Staatsanleihen zur Finanzierung öffentlicher Investitionen gegen die Klimakrise begibt, dem fehlt Expertise in Volkswirtschaft.
— Markus Marterbauer (@MarterbauerM) 21. September 2019

Armut stark gestiegen

Noch heute zahlen wir für die neoliberale Wende: War 2008 noch jede fünfte Person in Europa von Armut bedroht, ist es 2013 schon jede vierte gewesen. Vor allem alte Menschen, AlleinerzieherInnen und junge Erwachsene sind am stärksten betroffen. Wachsende Armut auf der einen und rasant gestiegener Reichtum auf der anderen Seite sind die Folgen. Denn neben den radikalen Kürzungsprogrammen und höheren Massensteuern, hat man die Steuern auf Vermögen und Gewinne laufend gesenkt. Noch nie waren Steuern für Vermögende und Unternehmenssteuern so niedrig wie jetzt. Seit 1995 ist die Körperschaftssteuer im OECD-Durchschnitt um 35 Prozent gesunken. Zugleich wurde noch nie so wenig investiert – obwohl die Steuern mit der Begründung gesenkt wurden, dass dadurch die Investitionen steigen würden.

Schuldenbremsen sind Investitionsbremsen

Volkswirtschaftlich gesehen ist die Schuldenbremse also eine Investitionsbremse: Politische Handlungsspielräume werden stark eingeschränkt, bei denen, die von Arbeit leben, wird gekürzt, während die Besitzer großer Vermögen großzügig steuerlich beschenkt werden. Investitionsbremsen sind das Gegenteil von gerecht – weder innerhalb einer Gesellschaft, noch zwischen den Generationen. Denn es wird von denen, die arbeiten zu jenen umverteilt, die von Vermögen und Besitz leben. Und der wirtschaftliche Motor gerät ins Stocken, neoliberale Gesellschaften leben von ihrer Substanz. Weit wichtiger ist es, in die Realwirtschaft zu investieren und Zukunftsbranchen zu stärken anstatt den eigennützigen Plan einer kleinen verschrobenen Gruppe zu befolgen.







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