Bei der Nationalrats-Sitzung im Juni haben die Abgeordneten ein breites Spektrum an Beschlüssen auf den Weg gebracht: Das Pflegegeld soll erhöht werden, der Nichtraucherschutz in der Gastronomie kommen, Väter einen Papa-Monat mit ihrem Neugeborenen haben und die Karenzzeiten für Mütter sollen voll angerechnet werden.
Die ÖVP ist gegen diese Beschlüsse und kritisiert die Kosten. Und die Medien übernehmen das – jeder zweite Bericht beklagt die Kosten. Doch die sind wesentlich niedriger, als die Steuergeschenke der Regierung Kurz für Hotels im vergangenen Jahr. Über die hat allerdings kaum wer kritisch berichtet.
120 Mio. Euro hat die Regierung Kurz im vergangenen Jahr den Hotels geschenkt: Nur mehr 10 Prozent beträgt die Mehrwertsteuer für Tourismusbetriebe – die Regierung hat sie gemeinsam mit den NEOS um 3 Prozent gesenkt. Von diesem Steuergeschenk profitieren hauptsächlich große Hoteliers. Damit wurde ein Wunsch der Tourismuslobby erfüllt.
Im Wahlkampf 2017 machten Vertreter aus der Hotellerie für Kurz auch genügend Geld locker. 120 Mio. für Hoteliers: Keine Rede von den Kosten - Aber „Steuerzuckerl für Wahlkampfspender“ schrieb damals niemand.
Über die 120 Mio. für das Hotel-Gewerbe wurde durchwegs positiv berichtet: Die Hälfte der Berichte war neutral formuliert. 45 Prozent standen dem Vorhaben positiv gegenüber: Die Senkung wurde nachvollziehbar gemacht, Hoteliers erzählten in Interviews über Belastungen und freuten sich über „die Luft zum Atmen“ durch das Steuergeschenk.
Lediglich 6 Prozent der Artikel und Berichte seit Jahresanfang 2018 fanden kritische Worte für die Steuersenkung.100 Mio. Euro für fast Jeden und Jede: Kosten werden zum Problem erklärt. Ein Jahr später geht es um etwas weniger Geld:
Rund 100 Mio. Euro schätzt der Finanzminister die Kosten für die Erhöhung des Pflegegeldes, den Rechtsanspruch auf einen Papa-Monat, den Nichtraucherschutz in der Gastronomie und die Anrechnung der Karenzjahre im Job.
Doch diesmal dominiert die Sorge um das Geld die Berichterstattung:42 Prozent der Berichte sind neutral formuliert.64 Prozent – und damit so gut wie jeder zweiter kritisiert die hohen Kosten.Nur 12 Prozent bewerten die Beschlüsse positiv.
Im Gegensatz zu den Hoteliers gibt es kein einziges Interview mit einem der 450.000 Betroffenen, die über Belastungen berichte und durch die Erhöhung des Pflegegeldes wieder „Luft zum Atmen“ bekommen.
Liest man die Leitartikeln der österreichischen Zeitungen, könnte man glauben, die Parlamentarier tanzen um ein Lagerfeuer aus Steuergeld. Dass die vergangene Regierung Hoteliers beschenkte und großen Unternehmen 1,6 Mrd. Euro Steuern erlassen wollte – ohne Grund und ohne Bedingung, das wird nicht erwähnt.
Warum spricht man von „Wahlzuckerln“, aber nicht von „Steuerzuckerln an Großspender“?
Warum werden Kosten dann medial zum Problem, sobald viele Menschen davon profitieren?
Man könnte auch von Konjunkturbelebung und Kaufkraftsteigerung sprechen.
Warum spricht man von „Wahlzuckerln“, aber nicht von „Steuerzuckerln an Großspender“, wenn die Immo-Branche, die großen Hotels und Konzerne Steuersenkungen bekommen?
Der Fachverband Hotellerie in der Wirtschaftskammer zählt 15.893 Mitglieder. Ihnen wurden 120 Mio. geschenkt. 451.372 Menschen haben einen Anspruch auf Pflege-Geld. Und das wurde das letzte Mal 2016 erhöht.
Um zwei Prozent, doch die Inflation stieg seither um fast sieben Prozent – sie haben also in den letzten Jahren 5 Prozent an Wert verloren. Im Nationalrat wurde deswegen eine automatische Anpassung an die Inflation auf den Weg gebracht – ohne die Stimmen der ÖVP.
Die Erhöhung des Pflegegeldes kostet 50 Mio. Euro – das sind für die Betroffenen im Schnitt 9,25 pro Monat. Die Senkung der Mehrwertsteuer für Hoteliers kostet 120 Mio. – große Hotelketten wie das Marriott mit einem Jahresumsatz 2015 (laut dem Tourismusmagazin TAI ) hätten eine monatliche Ersparnis von 4,7 Mio. Euro – im Monat sind das 390.000 Euro.
Quelle und nähere Infos unter www.kontrast.at
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