Debatten zu Staatsfinanzen drehen sich meist nur um Schulden. Das den Schulden gegenüberstehende öffentliche Vermögen wird ausgeblendet. Dabei sollten wir mehr über das Vermögen des Staates wissen:
In Österreich übersteigt das öffentliche Vermögen die Schulden: 450 Milliarden Euro öffentlichem Vermögen (122 Prozent des BIP) stehen 370 Milliarden Euro an Schulden gegenüber.
Während sich die Staatsschulden in den letzten 20 Jahren auf 284 Mrd. Euro verdoppelten, verdreifachten sich die Schulden der Unternehmen im selben Zeitraum auf 825 Milliarden Euro. Trotzdem sind Letztere kein großes Thema, denn entscheidend ist das Verhältnis Vermögen/Schulden.
Das Verhältnis Vermögen/Schulden sollte auch beim Staat entscheidend sein, ist es aber nicht: Innerhalb der EU muss die öffentliche Verschuldung – unabhängig von der Vermögenssituation – auf 60 Prozent des BIP gesenkt werden.
Ein Problem ist dabei die aufwendige Bewertung von öffentlichem Vermögen wie Verkehrswegen, Kunstgegenständen oder natürlichen Ressourcen wie Seen und Wäldern. Die Bewertung des öffentlichen Vermögens ist auch deshalb wichtig, um im Falle von Privatisierungsavancen zu wissen, wie viel Vermögen der Allgemeinheit entzogen wird.
Wird aber nicht genügend in das öffentliche Vermögen investiert, kann dies teure Folgen für die Zukunft haben: Engpässe in Schulen, Spitälern oder Pflegeheimen, marode Brücken, schlechter öffentlicher Verkehr oder verschmutzte Seen.
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Öffentliches Vermögen – abseits der Schuldenparanoia
Während Staatsschulden regelmäßig thematisiert werden, bekommt die andere Seite der Bilanz wenig Beachtung: das Vermögen der öffentlichen Hand. Dieses setzt sich aus öffentlicher Infrastruktur wie Schulen, Spitälern und anderen Gebäuden, Verkehrswegen, öffentlichen Transportmitteln, Grundstücken, Seen, Wäldern, Kunstgegenständen, Wissen u. v. m. zusammen. In Summe übersteigt dieses öffentliche Vermögen die Schulden um Milliarden. Aber warum wird die Vermögensbilanz so einäugig betrachtet, obwohl die Bruttoschulden für sich genommen wenig aussagen?
Georg Feigl mit einem Beitrag vom September 2017: Warum uns Vermögensaufbau wichtiger sein sollte als Schuldenabbau
Schuldenbremse? Eben im Nationalrat beschlossen, in Deutschland gilt sie als überholt.
Zehn Jahre nach ihrer Verankerung im deutschen Grundgesetz und dem Siegeszug durch Europa wird die Schuldenbremse von einer zunehmenden Anzahl von ÖkonomInnen infrage gestellt. Deutschland hat ein Jahrzehnt zur Modernisierung verloren. Es wäre vieles möglich gewesen bei der guten Konjunktur: der Aufbau von Infrastruktur, der Kampf gegen den Niedriglohnsektor, die Bekämpfung der Altersarmut. Es bedarf dringend eines Mehr an Investitionen, denn Generationengerechtigkeit heißt nicht, marode Schulen, Straßen und Brücken zu vererben.
Klemens Himpele mit einem Beitrag vom Mai 2019: Fokus auf Investitionen, ohne diese gegen den Sozialstaat auszuspielen
Warum uns Vermögensaufbau wichtiger sein sollte als SchuldenabbauIm Sinne einer auf nachhaltigen Wohlstand und gesellschaftlichen Fortschritt orientierten Wirtschaftspolitik sollte der Fokus von den Schulden jedenfalls hin zu den Vermögen verschoben werden. So lange von steigenden Bevölkerungszahlen ausgegangen wird, ist es besser das öffentliche Vermögen auszuweiten als unseren Kindern soziale Konflikte zu vererben weil Kapazitätsengpässe in Schulen, Spitälern oder bei öffentlichen Verkehrsmitteln bestehen.
Gehen wir zudem davon aus, dass zukünftig mehr erneuerbare Energieproduktion, digitale Infrastruktur und Pflegeeinrichtungen für möglichst viele Menschen leistbar zur Verfügung stehen soll, wird es sogar einer weiteren Aufstockung öffentlichen Vermögens bedürfen.So lange das Nettovermögen wächst und der Zinssatz niedrig ist, ist die Finanzierung dieses Zuwachses durch zusätzliche Schulden sinnvoll. Budgetregeln sollten zumindest diesem Grundsatz Rechnung tragen – technisch einfach umsetzen mit der goldenen Investitionsregel. Ein radikaler Schuldenabbau ist mit einem zukunftsorientieren Vermögensaufbau nicht vereinbar– zumindest wenn die Abgabenquote nicht steigen, radikale Sozialkürzungen vermieden und große Vermögenspositionen wie Unternehmensbeteiligungen, Gebäude und Wälder nicht verkauft werden sollen.
Für manche Gruppen hängen an der genuin politischen Frage des Umgangs mit der öffentlichen Verschuldung wirtschaftliche Motive. Dass ein Schuldenabbau am leichtesten durch Vermögensveräußerungen zu finanzieren ist, bedeutet gleichzeitig lukrative Gewinnchancen für private InvestorInnen und ihre BeraterInnen. Sie haben bessere Netzwerke, leichteren Zugang zu Medien, ein größeres Portmonee für Parteispenden sowie eine schärfer umrissene Interessenslage als jene, die mangels privaten Vermögens auf öffentliche Infrastruktur angewiesen sind. Deshalb können erstere ihre Interessen effektiver durchsetzen.
Auch lassen sich mit dem Schüren der Schuldenparanoia Kürzungen besser legitimieren, da die Angst vor einer belasteten Zukunft unserer Kinder die WählerInnen zu den vermeintlichen Rettern – und selten Retterinnen – treibt. Nicht zum ersten Mal könnte das Ergebnis letztlich eine „Politik der leeren Kassen“ sein: Einem kurzfristigen stärkeren Schuldenabbau folgen sofortige Steuergeschenke (mit Entlastung vor allem für reiche Haushalte), die Löcher ins Budget reißen, die wiederum die Grundlage für weitere Kürzungen liefern usw. Für die Mehrheit der Kinder würde das am Ende geschmälerte Zukunftschancen durch unzureichende Infrastruktur und Kürzungen bei öffentlichen Leistungen bedeuten – und ein schlechteres Verhältnis zwischen Vermögen und Schulden.
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